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Planung einer Kampagne

Grundregelwerk Seite 483.

Ein Pathfinderspiel ist normalerweise als Kampagne aufgebaut – als eine Geschichte in mehreren Teilen, die sich auf eine Gruppe von Charakteren konzentriert. Eine Kampagne ist in mehrere Abenteuer unterteilt; dies sind kleinere Geschichten, die sich um Erkundungen und Interaktionen mit Nichtspielercharakteren drehen. Ein Abenteuer ist meist eine vollständige Geschichte, die mit dem größeren Handlungsbogen einer Kampagne verbunden sein kann. Zum Spielen eines Abenteuers benötigt man eine oder mehrere Spielsitzungen, bei denen die Spieler jeweils für mehrere Stunden zusammenkommen, um einen Teil des Abenteuers zu spielen.

Eine Kampagne stellt die Rahmenhandlung deines Pathfinderspiels dar. Wenn du deine Kampagne vorbereitest, entscheidest du über ihren Umfang und ihre Themen, welche du dann mit den Abenteuern und Handlungsszenen untermauerst.

Kampagnenlänge

Eine Kampagne kann ein paar Spielsitzungen umfassen oder viele Jahre dauern. Zwei Hauptfaktoren bestimmen die Länge einer Kampagne: Wie viel Zeit benötigst du zum Erzählen der Geschichte und wie viel Zeit wollen die Spieler in das Spiel investieren. Eine einzelne Spielsitzung, ein „Oneshot“, ist bestens geeignet, um Pathfinder auszuprobieren oder einfach ein kurzes Abenteuer zu spielen. Die Spieler müssen sich nicht über längere Zeit verpflichten, allerdings muss der SL von Anfang an die Spieler involvieren, da er weniger Zeit hat, ihr Interesse an der Handlung oder dem Hintergrund zu wecken.

Solltest du eine längere Kampagne spielen wollen, musst du über die Ereignisse des Abenteuers hinweg einige Handlungselemente hinzufügen, welche direkt die Charaktere ansprechen. Das heißt, die Charaktere sollten individuelle Ziele besitzen, die über die allgemeinen Ziele der Gruppe hinausgehen.

Du kannst abschätzen, wie lange eine Kampagne dauern wird, indem du überlegst, wie lange ihr tatsächlich spielen werdet oder bis zu welcher Stufe die Handlung die Charaktere bringen soll. Zwischen zwei Stufenaufstiegen vergehen normalerweise drei oder vier Spielsitzungen. Da ihr wahrscheinlich ab und an auch einmal eine Spielrunde ausfallen lassen müsst, dürfte eine Spielsitzung pro Woche nach einem Jahr die Charaktere grob auf die 14. Stufe bringen, eine Sitzung alle zwei Wochen die Charaktere etwa auf die 8. Stufe und eine Sitzung pro Monat sie auf die 5. Stufe bringen. Falls ihr nur einmal im Monat spielt, solltet ihr vielleicht überlegen, jeweils länger zusammenzukommen und die Schnelle Aufstiegsgeschwindigkeit zu nutzen (siehe Seite 509).

Es ist völlig in Ordnung, kein Ende der Kampagne einzuplanen – viele Gruppen spielen ein Abenteuer und entscheiden sich dann, das nächste anzugehen. Solltest du eine unbegrenzte Kampagne leiten, dann vermeide besser Handlungsfäden, die du nicht zufriedenstellend beenden kannst, sollte die Kampagne nach dem nächsten Abenteuer enden. Solltest du z.B. einen überaus mächtigen Gegner einführen, der für die Handlung wichtig ist, aber erst von Charakteren der etwa 15. Stufe zur Strecke gebracht werden könnte, so wäre es unbefriedigend, die Kampagne auf der 8. Stufe zu beenden.

Sei besser zurückhaltend, wenn du die Länge und den Umfang deiner Kampagne abschätzt – es ist stets eine große Versuchung, eine epische Kampagne bis zur 20. Stufe und darüber hinaus zu planen, die aus komplexen, miteinander verwobenen Handlungsfäden besteht. Denn nur allzu leicht können solche Spielrunden lange vor dem Ende auseinanderfallen, wenn deine Gruppe z.B. nur einmal im Monat spielen kann und die Spieler dann auch noch anderen Verpflichtungen nachkommen müssen.

Erwartete Dauer

Nicht jede Kampagne endet an derselben Stelle. Manche währen bis zur 20. Stufe und enden mit Spielercharakteren, welche den Höhepunkt der Macht erklommen haben und sich den größten Gefahren stellen können, die Sterblichen begegnen. Andere enden auf niedrigeren Stufen, nachdem die SC einen Oberbösewicht zur Strecke gebracht oder ein wichtiges Problem gelöst haben. Und wieder andere Kampagnen enden, wenn die Spieler nicht mehr an ihnen teilnehmen können oder sich entscheiden, dass es Zeit zum Aufhören ist.

Bei Beginn einer Kampagne solltest du daher einen Endpunkt einplanen, aber dennoch flexibel bleiben, da du die Geschichte zusammen mit anderen Spielern erzählst und deine ursprünglichen Erwartungen sich möglicherweise als falsch erweisen könnten. Wenn du glaubst, dass ihr euch einem zufriedenstellenden Ende nähert, solltest du mit den anderen Spielern sprechen. Du könntest sagen: „Ich denke, wir haben noch zwei Spielsitzungen. Wie seht ihr das? Gibt es noch unerledigte Dinge, um die ihr euch kümmern wollt?“ Auf diese Weise kannst du abschätzen, wie die restliche Gruppe es sieht, und nötige Anpassungen treffen.

Themen

Die von dir für deine Kampagne gewählten Themen und Inhalte unterscheiden sie von anderen Kampagnen. Sie umfassen die wichtigsten dramatischen Fragen deiner Geschichte, z. B. auf welche Kreaturen oder Umgebungen am meisten zurückgegriffen wird, und ob neben der traditionellen High Fantasy noch ein anderes Genre berührt werden soll. Die von dir gewählten Themen sind auch eine Hilfestellung, welche Handlungselemente in Frage kämen.

Die Themen der Handlung haben meistens einen Bezug zu den Hintergründen, Motiven und Schwächen der Spielercharaktere und ihrer Gegenspieler. Solltest du z.B. als Thema „Rache“ wählen, könntest du einen Bösewicht präsentieren, dessen Suche nach Rache sein eigenes Leben aus den Fugen reißt und allen um ihn herum tragisches Leid zufügt. Sollte einer der Spielercharaktere ein chaotisch guter Anhänger der Ideen von Freiheit sein, könntest du diesen Charakter an die Handlung fesseln, indem du als Gegner eine Gruppe von Sklavenjägern nutzt. Oder du könntest „Liebe“ als Thema wählen und Nichtspielercharaktere vorstellen, die hoffnungslose Romanzen unterhalten, verlorene Geliebte zurückerlangen wollen oder die Spielercharaktere umwerben.

Indem du ähnliche Orte und in Beziehung stehende Kreaturen nutzt, kannst du so besser Verbindungen zwischen unterschiedlichen Abenteuern bilden. Die Spieler haben den Eindruck, dass sie zu Experten darin werden, mit Riesen zu verhandeln, tückische Wasserstraßen zu befahren, Teufel zu bekämpfen, die Ebenen zu erkunden oder sich mit anderen, sich wiederholenden Elementen zu befassen. Beispielsweise könntest du die Charaktere zu Beginn eine eisige Tundra erkunden lassen und sie dann später auf eine eisige Ebene des Multiversums voller schwieriger Herausforderungen schicken, wo sie ihr zuvor gewonnenes Wissen nutzen können. Ähnlich könnten Hobgoblin-Soldaten schwierige Gegner für deine Gruppe auf niedrigen Stufen sein, doch wenn die SC höhere Stufen erlangen, werden die Hobgoblins zu Schergen einer anderen Kreatur und die Spieler erhalten den Eindruck einer Weiterentwicklung.

Pathfinder ist ein Fantasyabenteuerspiel, allerdings kann deine Kampagne auch Elemente anderer fiktionaler Genres enthalten. Möglicherweise möchtest du Horror und Grusel nutzen, die Menge und Verfügbarkeit an Magie reduzieren und die langsame Aufstiegsgeschwindigkeit nutzen (siehe Seite 509), um eine Schwert-und-Magie-Geschichte zu entwerfen, oder Magie zur Technologie für einen Steampunk- Hintergrund zu machen.

WERKZEUGE FÜR EIN VERANTWORTLICHES SPIEL
Zustimmung und Zufriedenheit sind wichtige Themen für Rollenspiele, so dass viele Entwickler Techniken geschaffen haben, um ein verantwortungsvolles Spiel zu ermöglichen. Dazu zählt das von Ron Edwards entwickelte Konzept der Grenzen und Schleier ebenso, wie John Stavropoulos‘ X-Karte.

Grenzen und Schleier
Die Begriffe „Grenze“ und „Schleier“ können als gewöhnliches Vokabular am Tisch für die im Folgenden beschriebenen Konzepte verwendet werden. Eine Grenze beschreibt die Linie, welche die SC mit ihren Taten (und die Spieler im Grunde auch) nicht überschreiten sollen, z.B. „Bei Folter ziehen wir eine Grenze“. Die Gruppe stimmt zu, eine Grenze nicht zu überschreiten und die dahinter liegenden Dinge nicht zum Teil des Spiels zu machen.

Ein Schleier hingegen beschreibt etwas, das nicht im Detail beschrieben werden sollte. Es wird quasi übergangen und die Gruppe wechselt entweder zu einem anderen Thema oder macht chronologisch nach der ausgeblendeten Szene weiter. Ihr könntet z.B. festlegen: „Ziehen wir mal einen Schleier über die Szene, während eure Charaktere im Schlafzimmer verschwinden.“

Möglicherweise weißt du im Vorfeld einige Dinge, die du verschleiern oder bei denen du Grenzen ziehen willst. Andere werden während des Spielens aufkommen.

Die X-Karte
Male ein „X“ auf eine Karte und du hast eine X-Karte. Lege sie zu Beginn einer Spielsitzung auf den Tisch und erkläre ihren Sinn deinen Spielern: Jeder Spieler kann stumm anzeigen, dass er Inhalte als beunruhigend empfindet, indem er auf X-Karte klopft – wer auch immer gerade dran ist, geht in seiner Schilderung etwas zurück und lässt den fraglichen Inhalt beim zweiten Anlauf aus. Wird die X-Karte genutzt, werden keine Fragen gestellt, wird nichts beurteilt und auch nicht gestritten. Du kannst aber um Klarstellung bitten wie z.B. „Wie weit soll ich zurückgehen?“ Manche Gruppen bilden das X stattdessen mit den Händen, um zu signalisieren, dass man etwas rauslassen sollte, oder nutzen andere Methoden. Sprich mit dem Spieler nach dem Spiel unter vier Augen, um zu bestimmen, ob du die Grundregeln, was am Spieltisch angesprochen werden kann und welche Themen eher tabu sind, überarbeiten musst.

Eine freundliche Umgebung

Als Spielleiter obliegt es dir, dafür zu sorgen, dass du und die anderen Spieler Spaß am Spieltisch haben. Während des Spielens könnten schwierige Themen angesprochen werden und es mag zu stressigen Momenten kommen, doch letztendlich ist Pathfinder eine Freizeitbeschäftigung. Und diese kann das Spiel nur bleiben, wenn die Spieler sich an den Gesellschaftsvertrag halten und einander respektieren. Spieler mit körperlichen oder geistigen Behinderungen könnten sich stärker herausgefordert fühlen als andere Spieler. Arbeite mit deinen Spielern zusammen, um sicherzugehen, dass alle die Ressourcen und Unterstützung besitzen, die sie benötigen. Achte zudem auf unpassendes Verhalten, egal ob absichtlich oder ungewollt, und habe ein Auge auf die Körpersprache der Spieler während des Spielens. Solltest du bemerken, dass Spieler sich unangenehm fühlen, kannst du eine Pause einlegen, das Spiel in eine andere Richtung lenken, mit deinen Spielern vor oder nach dem Spiel unter vier Augen sprechen oder andere Dinge tun, die du für erforderlich hältst.

Sollte ein Spieler dir mitteilen, dass ihm etwas am Spiel unangenehm sei, egal ob es sich um die Inhalte handelt oder die Taten der anderen SC, dann höre gut zu und sorge dafür, dass der Spieler während deiner Kampagne wieder Spaß hat. Wenn du vorgefertigtes Material nutzt und einen Charakter oder eine Situation unpassend findest, kannst du alle Details verändern, wie du es für richtig hältst. Ebenso hast du als Spielleiter die Autorität und Verantwortung, Spieler zu bitten, ihre Verhaltensweisen zu ändern – oder sogar zu gehen -, sollte ihr Tun nicht akzeptabel sein oder dafür sorgen, dass andere sich unwohl fühlen.

Es ist niemals korrekt, der Person, die sich unangenehm fühlt, den Schwarzen Peter zuzuschieben und ihr mitzuteilen, sie möge ihr Problem selbst lösen. Fehler passieren zwar, aber es ist immer wichtig, wie du reagierst und weitermachst.

Das Spiel ist für alle da. Lass niemals schlechte Mitspieler deine Kampagne unterminieren und lass nie zu, dass sie andere herausekeln. Deine Bemühungen sind Teil des langwierigen Prozesses, Spiele und die Spielkultur zu einer freundlichen, angenehmen Umgebung für alle zu machen. Zusammen können wir eine Gemeinschaft aufbauen, bei der sich Spieler aller Identitäten und Hintergründe sicher fühlen können.

Fragwürdiger Inhalt

Sprich mit deinen Spielern, ehe eine Kampagne beginnt. Führe Einzel- oder Gruppengespräche, um herauszufinden, welche Arten von Inhalten sie im Spiel möchten und welche Themen vermieden werden sollten. Da sich die Handlung in Echtzeit entfaltet, ist es wichtig, diese Punkte vor Spielbeginn zu besprechen. Diese Gespräche sollen der Schaffung einer akzeptablen Umgebung dienen, daher ist es nicht in Ordnung nachzuhaken, warum jemand eine Art von Inhalten nicht im Spiel haben möchte. Wenn jemand ein Thema zum Tabu erklären möchte, dann sei es so!

Du kannst mit einer Checkliste beginnen und den Spielern verschiedene Thematiken nennen, die sie dann von 1 bis 10 bewerten. Bei Pathfinderspielen kommt es oft zu Gewalt und Grausamkeit – doch wie bildlich können diese Konzepte beschrieben werden? Dürfen die Spieler am Tisch fluchen? Hat jemand Phobien, die er im Spiel nicht haben möchte, wie z.B. Spinnen?

Nachdem du die fragwürdigen Inhalte bestimmt und die Grenzen innerhalt deines Spiels festgelegt hast, gibt es noch vier wichtige Punkte:

Die Pathfinder-Richtlinie

Möglicherweise haben deine Spieler keine sonderlichen Ansichten zu fragwürdigen Inhalten und vertrauen darauf, dass die allgemeinen Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens die unangenehmsten Punkte aus dem Spiel halten werden. Leider klappt dies nicht immer, da nicht zwangsläufig alle Spieler am Tisch die Regeln gleich auslegen. Die folgende Grundrichtlinie funktioniert bei vielen Gruppen, kann aber an eure Vorlieben angepasst werden:

Spielercharaktere sollten niemals die folgenden Dinge tun:

Bösewichte könnten derartiges tun, allerdings wird es nicht „on-screen“ bzw. sichtbar geschehen oder explizit im Detail beschrieben werden. Viele Gruppen entscheiden, dass Bösewichte diese Aktivitäten überhaupt nicht verfolgen, so dass sie am Tisch mit derart widerlichen Dingen gar nicht konfrontiert werden.

Gesellschaftliche Auswirkungen

Es ist nicht nur wichtig, darauf zu achten, dass das Spiel für dich und deine Spieler angenehm und interessant ist. Überlege auch, welche Auswirkungen deine Gruppe auf die Leute um euch herum hat. Solltest du an einem fremden Ort spielen, so respektiere deine Gastgeber. Solltet ihr in der Öffentlichkeit spielen, so habe auch ein Auge darauf, dass ihr für euer Umfeld nicht unangenehm werdet.

Man kann sich leicht im Spiel verlieren und das Umfeld ausblenden. Achte dennoch darauf, nicht zu viel Lärm zu machen. Räumt hinter euch auf. Beunruhigt Außenstehende nicht mit graphischen Beschreibungen von Gewalt. Zeigt neugierigen Beobachtern nicht die kalte Schulter, wenn sie offensichtlich daran interessiert sind, was ihr da macht.

Charaktererschaffung

Zu Beginn einer neuen Kampagne erschaffen die Spieler neue Spielercharaktere. Als Teil dieses Prozesses erklärst du, worum es in der Kampagne gehen wird und welche Arten von Charakteren am ehesten passen. Arbeite mit den Spielern zusammen, um festzulegen, welche Regeloptionen genutzt werden können. Die sichersten Optionen sind dabei die in diesem Grundregelwerk. Sollten die Spieler weitverbreitete Optionen aus anderen Büchern oder ungewöhnliche oder seltene Optionen nutzen wollen, so prüfe diese zunächst, ob sie im Widerspruch zum Stil deiner geplanten Kampagne stehen oder zu seltsamen Überraschungen führen könnten. Es ist völlig in Ordnung, neue Optionen zu gestatten, allerdings bist du nicht dazu verpflichtet, wenn du nicht damit zufrieden bist.